Erdoğan: Der Westen hat keine Chance
Birgit Stöger
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versucht nach wie vor, die EU in Fragen der Immigration vor sich her zu treiben. Dass der islamische Despot hierbei keinerlei Gegenwehr befürchten muss, zeigte das griechische Nachrichtenmagazin euro2day in der vergangenen Woche auf.
Das Magazin veröffentlichte ein Gespräch zwischen hochrangigen EU-Vertreten und Erdoğan. Der Türke drohte ganz offen mit den Worten: Eines Tages könne es sein, dass die Türkei »das Tor aufmacht und ihnen eine gute Reise wünscht«. Irgendwann könne sein Land allerdings die Geduld verlieren.
»Niemand soll glauben, dass unsere Flugzeuge und Busse umsonst da sind«, so Erdoğan. Nach der Veröffentlichung des Gesprächs und dem darauf folgenden Vorwurf, er würde die EU mit »Flüchtlingen erpressen«, entgegnete der ehemalige AKP-Vorsitzende: »Wir schämen uns nicht dafür. Das Protokoll ist für uns nur eine Bestätigung.«
Nachdem keinerlei Reaktion auf die offene türkische Erpressung aus Brüssel erfolgte, kann Erdoğan das am Mittwoch demonstrierte, vehemente Eintreten der Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der sogenannten »EU-Türkei-Migrationsagenda« nur als Bestätigung seines Tuns interpretieren. Diese Vereinbarung sieht vor, dass die Türkei zur Grenzsicherung und bei der Versorgung von Immigranten Milliardenzahlungen von der EU erhalten soll. War anfänglich die Rede von einer Milliarde Euro, hat sich die Türkei mittlerweile die Zahlung von drei Milliarden erpresst.
Merkel erklärte am Mittwoch, einen Tag vor dem Beginn des zweitägigen EU-Gipfels im Brüssel, dass sie sich dafür einsetzen werde, diesen im November beschlossenen Weg weiterzugehen.»Oder müssen wir diesen aufgeben und stattdessen, wie jetzt manche vehement fordern, die griechisch-mazedonisch-bulgarische Grenze schließen, mit allen Folgen für Griechenland und die Europäische Union insgesamt?«, so die Befürchtungen der Kanzlerin, die nach wie vor nicht den Eindruck erweckt, zuvorderst deutsche Interessen wahren zu wollen.
Türkei lässt Immigranten entscheiden
Die Türkei erklärt indes, sie werde die Immigranten, die weiterreisen wollen, nicht aufhalten. Niemand könne dies verhindern. Wer in der Türkei Zuflucht suche, sei weiterhin willkommen, so Erdoğan am Mittwoch in Ankara. »Aber denjenigen, die weiterziehen wollen, um in westlichen Ländern eine Zukunft zu suchen, denen werden wir nichts sagen.«
An diejenigen EU-Länder gerichtet, deren Regierungen sich zunehmend gegen die unkontrollierte Immigration wehren, prophezeite Erdoğan Misserfolg in ihrem Handeln. »Egal, wie grob, wie gnadenlos, wie gewissenlos die westlichen Länder sich verhalten, sie haben keine Chance, diesen Strom unter Kontrolle zu halten.«
Die EU griff er mit dem Vorwurf an, dass diese sich an Versprochenes nicht halten würde. Es gehe nicht um mehr Geld und Finanzierung, so die wenig glaubwürdige Darstellung der türkischen unmotivierten Haltung im Thema »Flüchtlingskrise«. Die EU habe auch in dieser Sache ihrVersprechen nicht einhalten können, da nach Angaben der türkischen Regierung noch keine Zahlungen nach der Milliardenzusage erfolgt seien. Es gehe um eine sichere Zukunft für Millionen Menschen, so der Hinweis aus Ankara.
Die Türkei wird die Abmachungen nicht einhalten
Wie wenig die Türkei seit Beginn der »EU-Türkei-Migrationsagenda« tatsächlich bereit ist, ihren Teil wie zugesagt zu liefern, zeigte unter anderem das Verhalten des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu bereits kurz nach der devoten Zusicherung vonseiten der EU im Oktober des letzten Jahres. Davutoğlu erteilte Merkels Ansinnen, illegale Immigranten in die Türkei zurückzuschicken, eine Absage.
Die EU dürfe nicht denken, so der Parteifreund Erdoğans, sich von der »Flüchtlingskrise« freikaufen zu können, indem die Türkei ein »Flüchtlings-KZ« errichte, und stellte Ende letzten Jahres klar, dass das bisherige finanzielle Angebot »nicht akzeptabel« sei. Die Türkei erwarte zusätzlich drei Milliarden Euro – und auch dies sei »nicht endgültig«.
Davutoğlu hatte, wie Erdoğan letzte Woche, angedroht, sollte die EU die zugesagten Finanzhilfen nicht »deutlich« aufstocken, wieder mehr syrische Immigranten Richtung Europa passieren zu lassen. Die Türkei werde nicht um Geld von der EU »betteln«.
»Aber wenn es einen ernsthaften Willen gibt, die Last zu teilen, dann müssen wir uns hinsetzen und über alle Einzelheiten der Krise sprechen.« Vor den ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen in Berlin im Januar fügte er hinzu: »Drei Milliarden Euro sind nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen.«
Die EU ist der größte Geber in Bezug auf die Syrien-Krise. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten haben bislang über fünf Milliarden Euro für humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Unterstützung zur Verfügung gestellt.
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