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Freitag, 4. März 2016

Die Meinungsmonopolisten: Wie Umfragemacher unsere Wahlen entscheiden

Die Meinungsmonopolisten: Wie Umfragemacher unsere Wahlen entscheiden

Markus Mähler

Der 13. März rückt näher: Wer hat dann in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz eigentlich die Wahl? Parteien, Bürger – oder eher Meinungsforscher? Sie beeinflussen mit Umfragen schon im Voraus, wen wir später wählen werden. Dahinter steckt eine dubiose Industrie, die wie eine Planwirtschaft arbeitet.

Wahlzeit ist Angstzeit – für Politiker. Schaffen sie es noch einmal vier Jahre, oder droht der Abschied von der Macht? Die Nerven liegen blank. Offenbar besonders bei den Grünen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Baden-Württemberg verriet der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen persönlichen Drogenmix: »Hopfen und Baldrian« – selbstverständlich nur zum Einschlafen.
Trotzdem hat das einen bitteren Beigeschmack, seit unsere Partei der Hanf-Legalisierer im Drogensumpf versinkt. Am Dienstagabend lief die Grünen-Legende Volker Beck aus einer Dealerwohnung am Nollendorfplatz und landete direkt in den Armen der Berliner Polizei.

Wahlsieger werden durch Umfragen gemacht – aber wer macht die Umfragen?

0,6 Gramm Crystal Meth soll die Polizei bei Beck gefunden haben, berichtet die Bild. Auf Twitter wurde #breakingbeck zum Has(c)htag der Stunde. Man möchte den armen Grünen zurufen: In Wahlzeiten sind Drogen keine Lösung – ihr habt es eh nicht mehr in der Hand. Wahlen werden nicht durch Plakate, Wahlkampfstände, Luftballons, Kulis, Schulterklopfen, gegrillte Würstchen oder gedopte Politiker entschieden. Wahlsieger werden durch Umfragen gemacht. Aber wer macht die Umfragen?

Inzwischen eine Industrie, die wie eine Planwirtschaft mit dubiosen Methoden organisiert ist. Einen freien Markt der Meinungsmacher gibt es jedenfalls nicht. In Deutschland sind zwar 70 Institute aktiv, doch die wichtigen Umfragen kommen immer wieder von der gleichen Kaste der Meinungsmonopolisten.

Was dort auf welche Weise zusammengeklöppelt wird, bleibt ein Betriebsgeheimnis der Haus- und Hoflieferanten. Das ZDF wird durch die Forschungsgruppe Wahlen beliefert, Infratest dimap versorgt die ARD, Allensbach die FAZ, Emnid den Doppelsender Pro Sieben/Sat.1 und Forsa RTL und denStern. Diese fünf Institute haben den deutschen Markt praktisch unter sich aufgeteilt – und damitauch unsere Meinung.

Warum Parteien immer mehr Meinungsforschung brauchen

In Wahlzeiten werden diese Institute aus lauter geflüsterter Ehrfurcht bloß noch »Wahlforscher« genannt. So, als ob sich Volkes Meinung in mathematische Zahlen und Statistiken meißeln lässt. Dieser Glaube ist auch eine Bankrotterklärung der Parteien. Sie leben abgedockt in der eigenen Blase und trauen sich nicht einmal mehr, die da draußen selber einzuschätzen. Parteimilieus gibt es nicht mehr. Hinter der Nebelwand leben bloß Wutbürger, »Dunkeldeutsche«, »Pack«. All das sind bloß hilflose Floskeln von Volksparteien, die ihr Volk nicht mehr verstehen, die dort nicht mehr verankert sind.

Die Ratlosen starren lieber auf Umfragewerte wie das Kaninchen auf die Schlange. Zahlen sind alles. Der Bundeskanzlerin wird nachgesagt, bloß nach den Wasserstandsmeldungen der Demoskopen zu regieren. Einmal – in der Flüchtlingskrise – hat sie es nicht getan und landete prompt in der Karrierekrise. Auch Reiner Brüderle, Ex-Fraktionschef der FDP, beschreibt, warum Politiker inzwischen Zahlenjunkies sind.

Die Illusion der Messbarkeit

»Na ja, man sucht ja immer irgendwie einen Halt, um zu überprüfen, ob seine eigene Einschätzung richtig ist. Das ist ja sehr subjektiv, was man für Eindrücke hat im Wahlkampf.

Menschen neigen ja dazu, zu einem freundlich zu sein, im Regelfall jedenfalls, und dann meint man, dass das die Stimmung auch im Lande wäre.« Ach ja, unsere armen Politiker werden vom Wähler inzwischen nach Strich und Faden belogen …

Dann doch lieber die Illusion, alles messen zu können: Politische Entscheidungen werden inzwischen vorher durch Umfragewerte entschieden. Diese Werte schlagen aber wie bei einem Fieberthermometer hektisch nach unten oder oben aus. Das Parteienkarussell reagiert auf das Hoch und Runter inzwischen so panisch und planlos wie der Finanzmarkt auf Börsenkurven. Welche Themen landen überhaupt noch in der öffentlichen Agenda? Wie laut darf man was nochbringen? Und was soll man überhaupt sagen? Über all das entscheidet das große Meinungsthermometer. Inzwischen diktieren fünf große Meinungsinstitute unseren Regierenden das Handeln.

»Nicht mehr seriös«

Sie verkaufen Zahlen als Wahrheit, und die Parteien machen daraus politische Realität. Im Vertrauen darauf, dass der Spiegel, den uns die Meinungsforscher vorhalten, auch wirklich ein Spiegel ist – und kein gemaltes Bild. Inzwischen gibt es sogar ernsthafte Stimmen, die den Gang der Bürger an die Wahlurne abschaffen wollen. Warum auch nicht? Warum wählen gehen, wenn das Ergebnis vorher schon feststeht?

Die Institute haben längst erkannt, was für eine unglaubliche Macht sie in den Händen halten. Wer von uns mit welchen Methoden befragt wird, das hüten sie wie ein Betriebsgeheimnis. Trotzdem sickern immer mehr besorgniserregende Meldungen durch: verdrehte Fragen, falscher Zahlenzauber, dubiose Stichproben. Selbst Meinungsforscher Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen urteilt über seine eigene Branche: »Manches ist nicht mehr seriös.« Martin Weichbold, an der Uni Salzburg Professor für Empirische Sozialforschung, sieht es noch kritischer: »Die methodische Qualität vieler Befragungen ist fraglich.«

Und trotzdem bestimmen sie unser politisches Handeln

Wer Zahlen manipuliert, manipuliert auch alle, die an diese Zahlen glauben. Wählern wird das Hirn mit einer Flut von Umfragen gewaschen – und Politiker machen sich zu fremdgesteuerten Marionetten dieser Umfragen. Wie wenig diese Umfragen aber mit der Realität zu tun haben, steht regelmäßig nach den Wahlen fest. Diese Stunde der Wahrheit gerät immer mehr zum bösenErwachen der Meinungsbranche. Mit einer großen Portion Ironie: Die Zahlenpäpste können dann anhand von Zahlen ablesen, wie sehr sie mit ihren eigenen Zahlen danebenlagen.

Der GAU war die Bundestagswahl 2005. Statt der prognostizierten 40 Prozent landete die CDU/CSU bloß bei 35,2 Prozent. Besonders das Institut Forsa lag meilenweit daneben. Forsa-Chef Manfred Güllner erklärte das Versagen übrigens mit seinem Bauchgefühl. Wie bitte? Tatsächlich: Deutschlands Zahlenpäpste drehen ihre Umfragen je nach Bauchgefühl in eine andere Richtung.

Die Rohdaten der Umfragen werden nach Bauchgefühl »bearbeitet«

»Wenn ich von Verhaltensabsichten auf ein vermutliches Verhalten schließen will, muss ich jede Zahl bearbeiten. Wenn ich zum Beispiel frage, ob man sich ein Auto kaufen will, und mir sagen 34 Prozent ›ja‹, kann ich nicht zur Autoindustrie gehen und sagen, das ist euer Potenzial. Ich muss dann gucken, wie viel ältere Frauen über 75, die keinen Führerschein haben, wie viel Ärmere, die kein Geld haben, sagen mir, sie würden sich ein Auto kaufen. Also muss ich diese Zahl entsprechend um diese Unschärfen bereinigen, und das ist genau das, was wir auch bei den Wahlzahlen machen müssen.«

Im Jahr 2005 war Angela Merkel das »Auto«, was die Deutschen kaufen sollten. Sie war deutlich unbeliebter als ihre Partei. Also handelte der Forsa-Chef. Er führte nach Bauchgefühl den Angela-Liebesfaktor ein und sagte sich dabei wohl: In der Wahlkabine werden nicht so viele CDU wählen, wie mir gesagt haben – abgeschreckt wegen Angela.

Dummerweise verschätzte sich Müller bei seinem Angela-Liebesfaktor gewaltig – ungewollt oder politisch gewollt. Er lag mit seinen Zahlen hinterher drastisch daneben. Was wie ein peinlicher Witz klingt, ist der typische methodische Murks hinter vielen Umfragen. Wohl genau aus diesem Grund hüten die Meinungsmacher ihre Rohdaten so sorgfältig wie einst Wahrsager, Orakel und Augurenihre Katzen, Fische und Vögel, die sie aufschnitten – um darin zu lesen.

Die Fehlerquote der Wahlforscher wächst

Immer öfter wird deutlich, dass Umfragewerte aus einer Paralleldimension stammen. Im letzten Mai sollten sich in Großbritannien Tories und Labour ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Stattdessen gab es einen glasklaren Sieg für Labour. In Bremen rechneten die Demoskopen mit einem klaren Wahlsieg von Rot-Grün. Der fiel auch aus. Die Forschungsgruppe Wahlen orakelte für das ZDF im November: 56 Prozent der Hamburger sind für Olympia. Acht Prozent der Hamburger stimmten aber ganz anders ab. Und das war bloß eine simple Ja-nein-Abstimmung zu einem einzigen Thema. Damit liegt unsere Meinungsmacht inzwischen in der Hand von Meinungsblinden, die selbst beim Primitivsten inzwischen immer öfter versagen.




Flüchtlinge als geopolitisches Druckmittel
Mit Massenmigration als Waffe präsentiert Kelly M. Greenhill die erste systematische Untersuchung dieses verbreitet eingesetzten, aber weitgehend unbeachteten Instruments der Einflussnahme von Staaten.


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