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Sonntag, 27. März 2016

Dramatische Wende in Brüssels Schlacht um Glyphosat

Dramatische Wende in Brüssels Schlacht um Glyphosat

F. William Engdahl

Seit es unerwarteterweise drei EU-Mitgliedsstaaten im vergangenen Monat abgelehnt haben, sich der Entscheidung des EU-Kommissars für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) anzuschließen, um Glyphosat, das weltweit am weitesten verbreitete chemische Unkrautvernichtungsmittel, wieder zuzulassen, haben dramatische und ermutigende Entwicklungen stattgefunden. Sie deuten darauf hin, dass die Macht der agrochemischen GMO-Giganten, wie Monsanto und Syngenta, Dow und DuPont, BASF und Bayer, zum ersten Mal eine vernichtende Niederlage erleiden könnte. Sollte es dazu kommen, könnte dies auch der Todesstoß für das missratene Genetische Manipulations-Projekt der Rockefeller-Stiftung sein. Das Projekt hat einen großen Teil des Ackerlands im Westen zerstört und Hunderte von Millionen von Nutztieren und Menschen, die mit genveränderten Organismen (GMO) ernährt wurden, vergiftet.

Am 4. März hat Europas Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis darauf hingewiesen, dass seine Abteilung, die GD SANTE, die Möglichkeit einer vollen Offenlegung der Industrie-Studien über Pestizide erwägt.

Wie in einem früheren Beitrag bereits beschrieben, hatte die EU-Kommission die Genehmigung einer weiteren Zulassung um 15 Jahre für das umstrittene Glyphosat empfohlen. Ihre Grundlage bildete dabei die verdächtige Feststellung der korrupten EFSA der EU, dass es keinen Grund für die Annahme gebe, dass Glyphosat ein Karzinogen sei. Diese Feststellung wurde nicht durch die uneingeschränkte Offenlegung der relevanten Gesundheits- und Sicherheitsstudien unterstützt, auf die sich die EFSA zu beziehen behauptet hatte.

Ihre Feststellung widersprach vollständig der anderen von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Danach wäre Glyphosat, das Unkrautvernichtungsmittel, das bei fast allen GMO-Pflanzen weltweit und in den meisten anderen Kulturen und sogar schon in Hausgärten verwendet wird, »wahrscheinlich krebserregend«.

Die EFSA stützte ihre Auffassung auf einen Bericht des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Diesen Bericht hatte das Institut wiederum von Monsanto und anderen agrochemischen Industrie-Gruppen erhalten. Danach sei es unwahrscheinlich, dass Glyphosat ein Krebsrisiko darstellt. Die IARC verwendete nur Daten, die der Öffentlichkeit vorliegen. Doch das korrupte deutsche BfR stützte seinen Bericht auf geheime Industrie-Studien, deren Weitergabe an die IARC oder Freigabe für die Öffentlichkeit man verweigerte.

Derzeit werden die von Monsanto und anderen Stellen der Agrarindustrie vorgelegten Studien, um die gesetzlichen Genehmigungen für Pestizide zu unterstützen, von den Aufsichtsbehörden aufgrund von Vereinbarungen über die kommerzielle Vertraulichkeit geheim gehalten. Nun bekam Andriukaitis offensichtlich Druck zu spüren und ließ verlauten, dass dies geändert werden müsse. Er erklärte: »Wir sind bereit, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu bewerten«, da noch ein bestimmter rechtlicher Schutz für die Daten der Industrie besteht. Er fügte aber hinzu: »Es ist absolut kristallklar, dass wir die heutige Situation ändern müssen. Wir sehen verschiedene Optionen, aber im Moment, ja, wir denken daran, die Regeln zu ändern, vor allem unter Berücksichtigung des vorrangigen öffentlichen Interesses.«

Als er zuerst seine Pläne ankündigte, Glyphosat auf der Grundlage der betrügerischen Feststellung der EFSA vom November 2015, wonach es sich dabei um kein Karzinogen handele, zu genehmigen, erhielt EU-Kommissar Andriukaitis einen offenen Protestbrief von 96 prominenten Wissenschaftlern. Darunter befanden sich die meisten der Wissenschaftler an der IARC-Studie der WHO aus dem Jahr 2015.

Der Brief erklärte, die Grundlage der EFSA-Forschungsarbeit sei »nicht glaubwürdig, weil sie nicht durch Beweise gestützt wird. Dementsprechend bitten wir Sie und die Europäische Kommission dringend, die fehlerhaften Ergebnisse der EFSA unberücksichtigt zu lassen.« Unter Hinweis auf andere »Fehler« argumentierten sie, die EFSA habe sieben positive Tierstudien vollständig übergangen, die eine Zunahme an Krebstumoren aufgewiesen hatten.

Nicht nur dieses Schreiben der Wissenschaftler scheint Kommissar Andriukaitis zu einem moralischen Umdenken ermutigt zu haben. Er erhielt auch erstaunliche 1,5 Millionen unterzeichnete Petitionen von Bürgern und Organisationen aus der ganzen Europäischen Union, die ein Verbot für die weitere Verwendung des hochgiftigen Glyphosat forderten. Die totalitäre, zumeist arrogante EU-Kommission ist den Bürgern gegenüber nicht verantwortlich wie normale, nationale Politiker, die von ihren Wählern abgewählt werden können. Im offiziellen Sprachgebrauch ist das als »Demokratiedefizit« bekannt. Brüssel ist eine anti-demokratische Konstruktion. Das macht das Umdenken noch interessanter, es sei denn, es handelt sich dabei um eine weitere Täuschung seitens der einflussreichen Agrarlobby.

Es liegt am Glyphosat, Dummkopf!

Das eigentliche Geheimnis der toxischen Gefahr, die von GMO-Feldfrüchten in der tierischen und menschlichen Nahrungskette ausgeht, kommt nach und nach ans Licht. Es wird immer deutlicher, dass vielleicht eine ebenso große oder sogar noch stärkere toxische Gefahr für die menschliche und tierische Ernährung von den Chemikalien ausgeht, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung notwendigerweise mit dem GMO-Saatgut zusammengehören, als von GVO-Mais, Sojaprodukten und anderen GMO-Sorten an sich.

Kein Landwirt auf der ganzen Welt darf Monsantos »Roundup Ready«-GMO-Samen kaufen, ohne zugleich einen verbindlichen Vertrag zu unterschreiben, dass er Jahr für Jahr Monsantos Roundup-Unkrautvernichtungsmittel auf Glyphosat-Basis kaufen und einsetzen wird. Tatsächlich ist die einzige Eigenschaft, für die Monsantos Roundup-Ready-Mais oder -Sojabohnen genetisch verändert worden sind, die Resistenz gegen die toxisch abtötende Wirkung von Roundup, während jede nicht »Glyphosat-resistente«, lebende biologische Materie darum herum getötet wird.

Bis zu der aktuellen Studie der mutigen Wissenschaftlergruppe unter Professor Gilles-Éric Séralini an der französischen Universität Caen waren wenige unabhängige, wissenschaftliche Langzeitstudien an Ratten mit Roundup oder Glyphosat durchgeführt worden. Monsanto und andere GMO-Unternehmen weigerten sich, die mit Roundup oder anderen Herbiziden einhergehenden Zusatz-Chemikalien offenzulegen. Sie behaupten, das seien »Geschäftsgeheimnisse«.

Seit der Feststellung der IARC bei der WHO vom März 2015, dass Glyphosat allein und in Verbindung mit giftigen Zusatz-Chemikalien beim Menschen wahrscheinlich Krebs auslöst, ist der Damm der Geheimhaltung um Glyphosat gebrochen. Um eine Zeile des damaligen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton in einer Debatte mit seinem Gegner George H. W. Bush im Wahlkampf von 1992 zu parodieren, ließe sich sagen: »Es liegt am Glyphosat, Dummkopf!«

Nun beginnt auch der Schleier der Geheimhaltung seitens der EU, der die Studien zu den in der Landwirtschaft eingesetzten Herbiziden und Pestiziden umgibt, zu zerreißen. Die Forderung der Öffentlichkeit nach vollständiger Offenlegung breitet sich aus. Am 16. März verlangten drei Mitglieder des Europäischen Parlaments im Rahmen einer förmlichen Anfrage entsprechend der EU-Vorschriften zur Informationsfreiheit von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die vollständige Offenlegung der geheimen Studien der Biotech-Industrie, welche die EFSA in ihrer umstrittenen Risikobewertung von Glyphosat verwendet hatte. Der Brief der EU-Parlamentariern an Bernhard Url, den Leiter der EFSA, ist es wert, teilweise zitiert zu werden:
»Nach dem Recht auf Zugang zu Dokumenten in den EU-Verträgen, wie es in der Verordnung 1049/2001 und in der Verordnung von Aarhus verankert ist, bitte ich um Dokumente, die folgende Informationen enthalten:
Es besteht eine alarmierende wissenschaftliche Kontroverse zwischen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (IARC) in Bezug auf die Kanzerogenität von Glyphosat. Im März 2015 kam die IARC zu dem Schluss, dass Glyphosat wahrscheinliche bei Menschen krebserregend ist (Kategorie 2A). Doch danach, noch im selben Jahr im November 2015, kam die EFSA zu dem Schluss, dass Glyphosat ›wahrscheinlich kein Krebsrisiko für Menschen darstellt und dass die Hinweise nicht eine Einstufung hinsichtlich seines krebserregenden Potentzials unterstützen‹.
Die richtige Einstufung von Glyphosat ist von entscheidender Bedeutung, weil es sich möglicherweise auf die öffentliche Gesundheit auswirkt und wichtige regulatorische Konsequenzen zur Folge hat. Daher ist es wichtig, zu untersuchen, warum es in den Einschätzungen der EFSA und der IARC widersprüchliche Ergebnisse gibt. Bis heute hat die EFSA erklärt, ihre ›Auswertung hat einen großen Umfang an Beweisens in Betracht gezogen. Darunter befindet sich auch eine Reihe von Studien, die nicht von der IARC berücksichtigt worden sind. Das ist einer der Gründe, weshalb man zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangt ist.‹ (EFSA Nachrichten vom 12. November 2015). Dies bedeutet, die Fachbegutachtung der EFSA beruht auf nicht veröffentlichten Studien, deren Ergebnisse noch nicht verifiziert und einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden können.
Die Notwendigkeit, in dieser Beziehung Klarheit zu erreichen, ist sowohl dringend als auch offensichtlich. Glyphosat wird in rund 750 Pestiziden benutzt, die weltweit von 91 Unternehmen vertrieben werden. Nach Angaben, die von der IARC veröffentlicht wurden, ist Glyphosat ›seit 2010 in über 130 Ländern (zugelassen) und wahrscheinlich das am meisten verwendete Herbizid der Welt‹.«
Bis zum 8. April muss die EFSA nach dem Recht und gemäß den EU-Verträgen Stellung beziehen. Wenn sie weiterhin mauert, wird die Kontroverse nun in einer größeren Dimension eskalieren. Der Geist des GMO-Glyphosats ist seit Langem aus der Flasche.

Unabhängige wissenschaftliche Überprüfung von Glyphosat

Unabhängig davon, welche Antwort die notorisch korrupte, von der GMO-Industrie positiv beeinflusste EFSA am 8. April gibt, wächst der Widerstand gegen die Erneuerung der EU-Zulassung für Glyphosat von Tag zu Tag. Ab Mai dieses Jahres will das unabhängige Ramazzini-Institut Italiens in Bologna mit der Vorbereitung einer selbst finanzierten Langzeitstudie zur Erforschung der Auswirkungen von Glyphosat auf Ratten und zur Modellbildung der Auswirkungen auf den Embryo schwangerer Frauen beginnen.

Dr. Fiorella Belpoggi, Direktorin des Cesare-Maltoni-Krebsforschungszentrums in dem Institut, das die Studie durchführen wird, sagte: »Um die Streitigkeiten zwischen der IARC und der EFSA beizulegen, brauchen wir Ergebnisse unabhängiger Forschung, wie wir sie durchzuführen vorschlagen. Zwischenzeitlich gilt das Vorsorgeprinzip.« Das Institut veröffentlichte dazu folgende Erklärung: »Angesichts der Unsicherheit muss man schlicht und einfach das Vorsorgeprinzip anwenden und die Belastung durch diese Substanz strikt begrenzen, damit wir nicht unsere Gesundheit schädigen.« Ihre Studie wird im Jahr 2017 beginnen, sobald alle Vorbereitungen abgeschlossen sind.

Das Ramazzini-Institut hat sich seit vier Jahren mit den Auswirkungen von Glyphosat befasst. Es kündigte an, dass Wissenschaftler aus der ganzen Welt dazu beitragen, ein Protokoll zu erstellen,das es in einem einzigen Experiment möglich macht (und damit die Anzahl der beteiligten Ratten verringert), die Risiken von Glyphosat in Dosierungen zu bewerten und zu identifizieren, die mit denen vergleichbar sind, die zurzeit sowohl in den USA als auch in Europa bei Menschen zulässig sind.

Bemerkenswerter Wweise hat eine aktuelle deutsche Studie alarmierende Konzentrationen von Glyphosat in einer Mehrheit der dortigen Bevölkerung nachgewiesen. Besorgniserregende drei Viertel der deutschen Bevölkerung sind laut einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung mit Glyphosat kontaminiert. Die Studie analysierte Glyphosat- Rückstände im Urin und ihr Bericht zog daraus den Schluss, dass »75 Prozent der Zielgruppe Belastungsgrade aufwiesen, die fünfmal höher sind als der gesetzliche Grenzwert für Trinkwasser. Ein Drittel der Bevölkerung wies sogar Niveaus auf, die zwischen zehn und 42 Mal höher lagen als das, was normalerweise zulässig ist.«

Dies alles fügt sich zu einer erfrischenden populären Revolte gegen die Industrie des GMO-Tods. Ein Hurra für diejenigen unter uns, die leben wollen. Die »Todesgöttinnen« von Monsanto, BASF, Syngenta und Co. stecken diesbezüglich in der größten Schlacht um ihr Überleben. Glyphosat kann sich als die Achillesferse erweisen, die genveränderte Organismen ein für alle Mal beseitigt. Das wäre toll.







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