Erdoğan narrt die NATO
Peter Orzechowski
Da vereinbaren die NATO-Staaten feierlich, dass sich Marineeinheiten des Bündnisses in die Flüchtlingskrise in der Ägäis einschalten sollen. Und wenn es dann soweit ist, bremst die Türkei. Um dann gleich zu dementieren: Nein, wir blockieren den Einsatz nicht, wir wollen ihn nur besser planen.
Was gilt denn nun? Erst meldet die französische Nachrichtenagentur AFP: Die Türkei will keine deutschen Schiffe in türkischen Hoheitsgewässern. NATO-Diplomaten hatten zuvor sogar von einer Blockade durch die Türkei gesprochen.
Dann sagt der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Tanju Bilgiç: »Das entspricht nicht der Wahrheit. Die Türkei hat diese Idee initiiert, wir haben sie beim Besuch der Bundeskanzlerin Merkel in der Türkei im Februar besprochen und vereinbart, dass diese Angelegenheit bei der Sitzung der NATO-Verteidigungsminister diskutiert wird.«
Deswegen sei die Version, Ankara sei gegen den Einsatz der NATO-Schiffe zur Beobachtung der Migranten-Fluten zwischen der Türkei und Griechenland, völlig haltlos, sagt der Diplomat.
Die NATO-Einigung sehe vor, »dass vor dem Start der Aktivität in der Ägäis die genauen Einsatzgebiete der Schiffe in enger Abstimmung zwischen NATO, dem Kommandanten vor Ort und den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten festgelegt werden sollen«.
Der türkische Trick
Die Türkei verlangt, dass der deutsche Kommandant des Einsatzverbandes, Flottillenadmiral Jörg Klein, nach Ankara kommt, um die Frage des Einsatzgebietes zu klären. Die operationellen Planungen der Türkei seien noch nicht beendet, hieß es. Flugs springt das deutsche Verteidigungsministerium eilfertig herbei: Die »Abstimmungsgespräche« über die möglichenEinsatzgebiete würden noch einige Tage dauern. Die notwendigen Detailabsprachen seien aber »auf einem guten Weg«, teilte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch der AFP mit.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Kommandant der Maritime Group der NATO, der deutsche Konteradmiral Jörg Klein, bereits in der Vergangenheit auf negative türkische Reaktionen gestoßen war. Klein hatte gesagt, dass Griechenland einen Anspruch auf einen Luftraum mit einer Breite von zehn nautischen Meilen habe. Die Türkei hingegen erkennt aber nur sechs nautische Meilen an.
Die Türkei will keine Flüchtlinge zurücknehmen
Hintergrund des Verwirrspiels ist, dass die Türkei überhaupt keine oder nur wenig Begeisterung zeigt, den militärischen Teil des Plans von Merkel umzusetzen, wie ein hoher Diplomat gegenüber den Deutsch-Türkischen Nachrichten sagte.
Dieser Plan für den NATO-Einsatz gegen Schlepperbanden in der Ägäis war Anfang Februar beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara erstmals öffentlich gemacht worden. Nur rund 72 Stunden später, am 11. Februar, gaben die NATO-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen in Brüssel grünes Licht.
NATO-Schiffe sollen demnach gemeinsam mit der türkischen und griechischen Küstenwache in der Region entlang der türkischen Küste, von wo aus täglich tausende Flüchtlinge nach Griechenland übersetzen, patrouillieren und Aktivitäten der Schleuserbanden aufdecken und beobachten, sowie die Informationen an die EU-Grenzbehörde Frontex weitergeben. Selbst eingreifen sollen die NATO-Soldaten aber nicht. Vergangene Woche hatte die NATO auch den Abschluss der militärischen Einsatzplanungen verkündet.
Bei der Vereinbarung, dass Flüchtlinge, die von den NATO-Schiffen aus Seenot gerettet werden, auf jeden Fall in die Türkei zurückgebracht werden, gebe es die größten Probleme, sagte der Diplomat weiter. Die Türkei zeige »keine oder wenig Begeisterung«, dies tatsächlich umzusetzen.
Die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2) – neben dem deutschen Einsatzgruppenversorger Bonn je eine Fregatte aus Kanada, Griechenland und der Türkei – ist also buchstäblich noch weit davon entfernt, ihre vorgesehene Rolle in dem zwischen Griechenland und der Türkei umstrittenen Seegebiet wahrzunehmen. Sie operiert derzeit in internationalen Gewässern, also weit von ihrem eigentlichen Einsatzgebiet entfernt.
Ihre volle Einsatzfähigkeit wird es erst nach weiteren Verhandlungen vor allem mit der Türkei geben. Der angestrebte tatsächliche Start der Mission vor dem EU-Türkei-Gipfel am 7. März – und den Landtagswahlen in Deutschland am Wochenende darauf – ist wohl nicht mehr zu schaffen.
Nach Informationen der Zeitung Zaman forderte Merkel von Athen und allen anderen Staaten, die am Einsatz beteiligt sind, für die Dauer des Einsatzes eine »stille Diplomatie«. Ebenfalls auf Merkels Bestreben hin, sollen die nachträglichen Forderungen der Türkei in den NATO-Beschluss aufgenommen worden sein.
Demnach soll das Eindringen von fremden Schiffen in die Gewässer der Türkei ausschließlich für die Dauer des NATO-Einsatzes gelten.
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