Seiten

Donnerstag, 21. Januar 2016

Islands Justiz und kriminelle Bankiers

Islands Justiz und kriminelle Bankiers

F. William Engdahl

Am 15. September 2008 löste ein ehemaliger Vorsitzender bei Goldman Sachs, der US-Finanzminister Henry Paulson, absichtlich eine vorhersehbare globale Finanzkrise aus, als er beschloss, einen Präzedenzfall zu schaffen und Lehman Brothers, die viertgrößte Investmentbank an der Wall Street, in den Konkurs gehen zu lassen. Zu den Gründen für diese Entscheidung ein anderes Mal mehr! Die Nachwirkungen dieser traumatischen Finanzkrise im Weltfinanzsystem sind bis heute, nach über sieben Jahren, nach wie vor sehr stark. 

Ein wenig beachtetes Opfer dieses Lehman-Debakels war eines der kleinsten Länder der Welt, Island, das die schlimmste Bankenkrise in seiner Geschichte erlebte. Wie das Land mit 323 000 Bürgerinnen und Bürgern entschied, die Krise zu bewältigen, ist ein Vorbild für die übrige Welt. Statt die Verantwortung der kriminellen Bankiers für diese schlimmste Weltfinanzkrise der Geschichte zu beschönigen, taten die Menschen in Island etwas ganz anderes.

Island ist eine wunderschöne nordische Insel im äußersten Nordatlantik zwischen Grönland und Norwegen, mit aktiven Vulkanen, mit Flüssen reich an den wohlschmeckendsten, nicht industriell und genverändert gezüchteten Wildlachsen. Sie versorgt sich aus Thermalquellen und Wasserkraftwerken energetisch selbst. Diese Insel wurde in großem Maßstab in die verrückte, von Geldgier angetriebene Wahnsinnskrise um zweitrangige Immobilien in den USA hineingezogen.

Im Oktober 2008, inmitten des globalen Finanz-Tsunamis, den Paulson mit der Lehman-Maßnahme ausgelöst hatte, verstaatlichte die isländische Regierung die drei größten Privatbanken Glitnir, Landsbanki und Kaupthing. Dem folgten panikartige Geldabhebungen der Einleger. Die drei Banken hatten es in nur wenigen Jahren nach ihrer Privatisierung geschafft, Schulden im Wert des Zehnfachen vom jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) Islands anzuhäufen.

Als eine Gruppe vernünftiger US-Ökonomen Paulson vorschlug, die Top-Wall-Street-Banken hinter der Krise – also JPMorgan Chase, Citigroup, Bank of America und Goldman Sachs – zu verstaatlichen, um die Ordnung wiederherzustellen und die Kreditversorgung der Realwirtschaft aufrechtzuhalten, antwortete er, das wäre »Sozialismus. Wir tun so etwas nicht in Amerika«.

Stattdessen wendete Paulsons US-Finanzministerium Hunderte von Milliarden an Dollars der US-Steuerzahler auf, um nicht stimmberechtigte Aktien der Wall-Street-Banken zu kaufen, was bedeutete, dass die Regierung im Gegenzug kein Mitspracherecht in der Bankenpolitik beanspruchte. Das könnte man Sozialismus für Bankiers nennen: Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste.

Im November 2008 stellten die britischen und niederländischen Einleger in den heute nicht mehr existierenden Sparplan Icesave (Eissicher) der Landsbanki fest, dass Hunderte von Millionen Pfund ihrer Investitionen in der Tat wie Eis eingefroren waren – ihre Ersparnisse waren zu gefrorenem Eis geworden. Als die britische Regierung von der isländischen Regierung die Rückzahlung der Einlagen bei den britischen Filialen der zuvor privaten Landsbanki verlangte, brach ein internationaler Streit aus, der als Icesave Disput bekannt wurde.

Die britische Regierung führte gegen Island die Antiterrorgesetzgebung ins Feld, um die in Großbritannien ansässigen Vermögenswerte der Kaupthing Bank, Islands größter Bank, einzufrieren, und trieb die Bank in den Bankrott. Islands Regierung wandte sich wegen eines Fünf-Milliarden-Dollar-Rettungspakets an den Internationalen Währungsfonds (IWF), als das erste europäische Land, seitdem Italien das 1976 getan hatte.

Bürgerrevolte

Der Gouverneur der Isländischen Zentralbank David Oddsson ging gegen die Regierung Geir Haarde vor, der bei der Förderung der kriminellen Ponzi-Schemata der Privatbankiers mitgespielt hatte, und erklärte im nationalen Fernsehen: »Die Isländer sollen nicht für die Schulden der verschwenderischen Finanziers aufkommen.« Im Januar 2009 wurde Haardes Koalition nach massiven Protesten zum Rücktritt gezwungen, nachdem die Arbeitslosigkeit in wenigen Monaten von einem Prozent vor der Krise auf über neun Prozent hochgeschnellt war.

Der IWF verlangte von der Regierung als Bedingung für seine Rettungsaktion – wie üblich – harte Sparmaßnahmen von der Art wie später in Griechenland. Im September 2010 wurde Haarde der erste isländische Minister, der wegen Fehlverhaltens im Amt angeklagt wurde, und der einzigePolitiker in der Welt, dem man Verantwortung für die Finanzkrise vorwarf. Ihm wurde vor einem Sondergericht für Vergehen im Amt, »Landsdómur«, der Prozess gemacht. Er wurde in einem Punkt verurteilt.

Die Regierung Haarde hatte zweimal Bedingungen ausgehandelt, nach denen Island der britischen und niederländischen Regierung deren Ausgleichszahlungen an die Einleger bei Icesave verzinsen würde. Der IWF hatte dies zur Bedingung für sein Geld gemacht. Das Parlament hatte sich dem gebeugt. Aber Islands standhafte, unabhängige Wähler führten zweimal Volksabstimmungen durch, in denen sie die Forderungen der Briten, Niederländer und des IWF ablehnten.

Infolge des Sparprogramms des IWF, das im Jahr 2011 beendet wurde, erlebte Island eine wirtschaftliche Depression. Das verfügbare Einkommen nahm um ein Viertel ab, und 30 000 Menschen – ein Zehntel der Bevölkerung – gerieten ernsthaft in die Situation, ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen zu können. Tausende Häuser fielen an die Kreditgeber zurück.

Im April 2013 wurde der 38-jährige Premierminister Sigmundur Davíð Gunnlaugsson gewählt. Er hatte versprochen, die Hypothekenlast für alle Hausbesitzer zu reduzieren, statt die ausländischen Eigner von Bankanleihen der drei gescheiterten isländischen Banken zu bedienen. Seine Regierung ließ die internationalen Anleihegläubiger und Einleger im Regen stehen, als sie zusammen mit der isländischen Bankenverwaltung etwa neun Milliarden Pfund Sterling an ausländischen Vermögenswerten, welche die drei Banken zum Zeitpunkt der Verstaatlichung gehalten hatten, einfroren.

Der neue Finanzminister verhängte zudem eine 39-Prozent-Steuer für Isländer, die Geld im Ausland investieren wollten, und führte dazu noch Kapitalverkehrskontrollen ein. Diese Maßnahmen stabilisierten die Währung. Besonders aufschlussreich ist, dass die Regierung ihre Priorität auf den Schutz ihrer Bevölkerung und der Wirtschaft legte. Private Bankiers und Politiker wurden verfolgt und sogar inhaftiert, sofern sie für die Krise verantwortlich waren. Das war der genaue Gegensatzzum Verhalten der USA oder der EU, deren Regierungen das Geld der Steuerzahler benutzten, um kriminelle Banken auszulösen, auch wenn die in erster Linie für den Betrug verantwortlich waren.

Korrupte Bankiers ins Gefängnis!

Am 15. November 2015 verurteilten Islands Gerichte jene 26 Bankiers, die in den Skandal, der im September 2008 ausgebrochen war, verwickelt waren. Den Bankiers, die im Gefängnis landeten, wurden Verbrechen zur Last gelegt, die vom Insiderhandel über Betrug, Geldwäsche, Irreführung der Märkte, Verletzung der Treuepflicht, Belügen der Behörden, Marktmanipulation bis zur Unterschlagung reichten. Insgesamt werden die 26 inhaftierten Banker etwa 74 Jahre hinter Gittern absitzen. Ebenso summieren sich bis heute die Geldstrafen, die den 20 größten Banken auferlegt wurden, auf insgesamt 212 Milliarden Dollar. Es warten noch mehr Bankiers auf ihren Prozess.

Im Gegensatz dazu wurden die Steuerzahler gezwungen, für die Rettungsaktion zugunsten der gescheiterten britischen HBOS-Bankengruppe (Halifax Bank of Scotland), der größten britischen Hypothekenbank, mit 29 Milliarden Dollar aufzukommen. Die britische Behörde für Finanzdienstleistungen verhängte nur gegen einen der HBOS-Direktoren, den Leiter der Abteilung Unternehmensfinanzierung, eine Strafzahlung von 500 000 Pfund, ein Berufsverbot im Finanzsektor und den (entehrenden) Verlust des Ritterstandes.

Bei der in Konkurs gegangenen Royal Bank of Scotland, die unter anderem durch die Milliarden der Steuerzahler freigekauft wurde, verlor auch Fred Goodwin, der Leiter der Royal Bank of Scotland, seinen Ritterstand. Er war für die Auszeichnung »Dienste für das Bankwesen« im Jahr 2004 zum Ritter geschlagen worden. In den USA hörte man nicht einmal vom Ansatz einer Strafanzeige gegen Vorstandsvorsitzende (CEOs) oder Direktoren von JPMorgan Chase, Goldman Sachs oder Citigroup. Geldstrafen der Regierung gegen verschiedene Banken wurden abgeschrieben. Verbrecher, die Island noch hinter Gitter gebracht hat, wurden laufen gelassen.

Der Unterschied des Island-Modells

Heute liefert Island das Erfolgsmodell für das genaue Gegenteil zum IWF-Modell Griechenland, bei dem mit brutalen Sparmaßnahmen »Blut aus einem Stein« gepresst wird. Island ist das erste und bisher einzige europäische Land, in dem die wirtschaftliche Entwicklung das Vorkrisenniveau von2007 übertroffen hat. Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) wuchs in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 mit beeindruckenden 5,6 Prozent.

Die Inflation ging von 18 Prozent zu Beginn der Krise im Jahr 2008 auf zwei Prozent im Jahr 2015 zurück.

Die Staatsverschuldung sank von 88 Prozent des BIP im Jahr 2010 auf 81 Prozent und ist geringer als in den meisten EU-Ländern. Im März 2015 zog die Regierung von Island offiziell ihre frühere Kandidatur für die EU-Mitgliedschaft zurück und ist das einzige Land überhaupt, das dies tat.

Islands Präsident Ólafur Ragnar Grímsson erklärte die Gefühle seiner Landsleute: »Wir waren klug genug, nicht der in den letzten 30 Jahren vorherrschenden, traditionellen Rechtgläubigkeit der westlichen Finanzwelt zu folgen. Wir führten Devisenverkehrskontrollen ein, ließen Banken scheitern, wir boten den Armen Unterstützung an, und wir führten keine Sparmaßnahmen ein, wie man sie in Europa sieht.

Warum hält man die Banken für die heilige Kirche der modernen Wirtschaft? Warum sind private Banken nicht wie Fluggesellschaften und Telekommunikationsunternehmen, die in Konkurs gehen können, wenn sie auf eine unverantwortliche Weise geführt wurden? Die Theorie, dass man Banken retten müsse, ist eine Theorie, wonach man Bankiers erlaubt, ihre eigenen Gewinne, ihren Erfolg zu genießen, und dann für ihr Versagen gewöhnliche Menschen durch Steuern und Sparmaßnahmen aufkommen lässt.«

Er sagte irgendwie, dass das in Ordnung gehe. Ist der Rest von uns dumm?




Das Machtkartell der internationalen Hochfinanz
Kann eine verschworene Bankerclique einen Präsidenten »machen?« - Ja
Kann diese konspirative Gruppe den US-Kongress überlisten? - Ja!
Kann dieses Kapitalkartell Regierungen und den gesamten Geldverkehr kontrollieren? - Ja!




.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen